Verhalten bei Gegentoren

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  • Servus,


    mich würde einmal interessieren, wie ihr euch denn nach Gegentoren gegen eure Mannschaft verhaltet.
    Motiviert ihr gleich wieder, oder lasst ihr eher erstmal eine kleine Pause bei euren Spieler zu, die sich vllt auch wieder sammeln müssen?
    Oder macht ihr vllt doch ganz andere Sachen?

  • @d-rose 1


    Natürlich gibts hier kein "Allgemeinrezept", weil es schon ein Unterschied sein kann, ob ich eine Bambini- oder Seniorenmannschaft trainiere, ob es sich um Breiten- oder Leistungsfussball handelt.


    Aber gehen wir mal von einer normalen D-Jugend-Dorfmannschaft aus, die sich zum Ende der Saison im unteren Drittel der Staffel befindet. Dazu gibt es eine rationale Sicht (warum spielt das Team im unteren Drittel und kassiert so viele Gegentore?) und eine emotionale Sicht (warum habe ich so viel Freude beim Training und soviel Streß beim Spiel?) Weil du als Erwachsener die rationale Sicht sehr viel besser verstehst als die Kinder, kann sie dir bei deinem Verhalten dienlich sein. Denn auch die Kinder möchten Erfolgserlebnisse und keinen Streß! Dabei zeigt sich gerade in kritischen Situationen, dass mit besonnenem Verhalten allen Beteiligten mehr geholfen ist, als wenn man an Ort und Stelle im Spiel das nachholen möchte, was im Training einfach noch nicht verstanden wurde.


    Nun gelangt man zur Frage, wie man als Trainer das Spiel der Kinder soweit verbessern kann, als man wieder in ein gutes Gleichgewicht der Emotionen gelangt. Fairess entsteht er dann, wenn jeder unabhängig von seinen momentanen Leistungsmöglichkeiten so behandelt wird, als dass er sich in seiner Mannschaft wohlfühlen darf. Fairness beinhaltet jedoch auch den Respekt vor der gegnerischen Leistung.


    Gerade am Beispiel eines Torwarts wird der Ablauf einer normalen Woche mit Training und Spiel deutlich. Zunächst einmal dient das Warmmachen dazu vom Alltag abzuschalten, um sich auf neue Herausforderungen einzustellen. Dann wird das letzte Spiel kurz besprochen. Häufig hält nur der Trainer ein Feedback aus seinem Blickwinkel. Ich würde jedoch empfehlen, zunächst einmal zu fragen: "Jungs, wie wars?" Das hat den Vorteil, dass man rasch erkennt, ob sich die eigene Sichtweise einer Situation mit der deckt, die auch der Spieler wahrgenommen hat. Denn der war hautnah dran, aber der Trainer manchmal 40 Meter weit weg. Desweiteren erfährt man, was der Spieler taktisch noch nicht ausreichend verstanden hat. Mögen diese Gespräche zunächst ein paar Minuten mehr in Anspruch nehmen, so werden sie im Laufe der nächsten Trainingseinheiten immer kürzer und damit effektiver, weil nur auch die Spieler in jeder Situation schon viel besser wissen, worauf es ankommt und was z.B. beim Gegentor schiefgelaufen ist. Doch weil der Trainer nicht als "Oberlehrer" mit Frontal-Lehranspruch auftritt, sondern im Dialog gemeinsam nach jeder guten Idee gesucht wird, entsteht hier langsam ein Vertrauensverhältnis, was es für alle Beteiligten wesentlich leichter macht, seine Gedanken einzubringen.


    Danach stehen Übungen und Spielformen auf dem Programm, in dem u.a. die Schwächen dieser Spielsituationen trainiert werden. So erlebt jeder Spieler einen deutlichen Unterschied zwischen der alten Situation, die zum Gegentor führte und der neuen Situation, bei der die Wahrscheinlichkeit eines Gegentores deutlich reduziert wird. Dieses Erfolgserlebnis wird gebraucht, um neues Vertrauen in die Beherschbarkeit von Situationen zu schaffen. Wenn dann noch vom Trainer das Gefühl vermittelt wird, dass man ruhig etwas risikiersen soll, weil nur das die Voraussetzung schafft, um in solchen Situationen über sich hinaus zu wachsen, dann ist ein gutes Fundament für eine weitere gute Zusammenarbeit gelegt. Trainer und Spieler fordern sich stets gegenseitig, wodurch sie sich gleichermaßen auch fördern. Wer glaubt, dass er als Trainer allein der Heilsbringer der Kinder wäre, der endet häufig irgendwann in der Situation zwischen Wut und Enttäuschung bei einem Gegentor. Man darf, ja man muß sich selbst die Chance einräumen, Fehler zu machen, um daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen. Häufig glauben wir, die Kinder in den Mittelpunkt zu setzen, weil wir uns nicht eingestehen wollen, dass es letzendlich auch wir sind, die für unsere Arbeit gelobt werden wollen. Diese Coolness führt jedoch meist in eines Einbahnstrasse und schließlich in eine Sackgasse, weil Anspruch und Wirklichkeit keine weiterer Entwicklungsrichtung mehr ermöglicht. Manche werden zu Brüllaffen, Andere starren frustiert und genickt vor sich hin.


    Fragt euch also besser erst mal, wie ihr euch fühlt, um schließlich darüber zu erfahren, wie ihr es so gestalten könnt, dass auch eure Spieler sich in kritischen Situationen so fühlen, als das sie rasch wieder neuen Mut und Selbstvertrauen gewinnen können. Denn ihr seit für diese Jungs, die noch über wenig Selbstbewußtsein verfügen eine Vorbildfigur, wenn nicht sogar ein väterlicher Freund und Held des Fussballalltags! Hier entscheidet durch die Kraft eurer Worte und durch eure Mimik und Gestik, wie gut es weitergeht. Es ist leicht ein Sieger zu werden, aber in der Niederlage sich als Sieger zu fühlen kann nur dann funktinieren, wenn man schon den Plan in der Tasche hat, wie man das, was da gerade nicht so gut gelaufen ist, beim nächsten Training wieder ein stückchenweit verbessern kann. Ziel darf es nicht sein, allein ein Spiel gewinnen zu wollen, sondern eine Idee zu besitzen, wie man immer mehr Siege gemeinsam feiern kann. Ich sehe den Erfolg als logische Folge guter Arbeit. Da macht es wenig Sinn, nur den Moment eines Gegentores zu beschreiben, sondern ihn im Kontext zu einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess von Trainer und Spieler zu sehen.