Wieviel Religon verträgt der Fussball

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  • Liebe Trainerfreunde


    Folgende Situation erregte bei unseren niederländischen Nachbarn öffentliches Ärgernis. Eine Reporterin wollte, wie sie es für gewöhnlich tat, einem Spieler vor dem Interview die Hand geben. Dieser Spieler war jedoch ein streng gläubiger Moslim aus Marokko. Man hatte ihm vertraglich zugesichert, seinen Glauben leben zu dürfen, solange es nicht seine fussballerischen Leistungen störe.


    Ich habe bewußt auf nähere Angaben verzichtet. Bevor hier jemand einen Rundumschlag macht, erwähne ich besser gleich: wir Fussballenthusiasten haben mit Sepp Blatter einen "Vorturner" haben, der Mitglied in einer reinen Männer-Verbindung ist und den Fussballfrauen empfohlen hat, ihre Tricots doch ein bißchen mehr sexy zu gestalten, statt wie die Männer nach rein funktionalen Gesichtspunkten. Die Meinung, das Frauen besser an den Herd als auf den Fussballplatz gehören, vertreten ja immer noch genug.


    Mir geht es um einen sensiblen Umgang mit der Thematik, wo die Grenzen von privaten Überzeugungen (hier Religion) zu finden sind!


    Deshalb würde ich mich über viele Beiträge von euch freuen!

  • Ich denke das hat nichts mit Fußball zu tun!!
    In unserer Gesellschaft gehört es zur Höflichkeit die Hand zum Gruß zu reichen.
    Wer es nicht macht ist Unhöflich!
    Da ist mir die Religion relativ egal. Wer Frauen nicht gleichberechtigt behandelt, der ist mir auch egal. Jede Frau ist selber schuld wenn sie sich das gefallen lässt.
    so einfach für ist das für mich!!

    Wer aufhört sich weiter zu entwickeln, hört auf besser zu werden.

  • Ich finde auch, dass dieses Beispiel wenig mit Fußball zu tun hat. Für mich wäre es vollkommen in Ordnung und in keiner Weise unhöflich, wenn es in einer Religion oder Kultur verboten ist, die Hand zu schütteln und mir das deshalb jemand verweigert und bestenfalls auch erklärt. Integration bedeutet eben nicht, dass sich nur die eine Seite anpasst. Die Gleichberechtigung der Frau genießt bei mir einen wesentlich höheren Stellenwert als die Religionsausübung bzw. Freiheit. Somit würde ich das Verweigern des Händeschüttelns nur bei Frauen kritisieren.
    Die katholische Kirche hat mit der Gleichberechtigung der Frau ja auch so ihre Probleme, eine Päpstin bspw. wird es auf absehbare Zeit wohl nicht geben.

    „Alles, was wir für uns selbst tun, tun wir auch für andere, und alles, was wir für Andere tun, tun wir auch für uns selbst.” - Thich Nhat Hanh

  • Was Fußballer privat glauben oder denken kann ihnen keiner vorschreiben.


    Die Grenze wäre bei mir aber überschritten, wenn ein Spieler in seiner Funktion als Fußballprofi die sich ihm bietende Plattform nutzt um missionarisch tätig zu werden bzw. seine private politische Anschauung zu verbreiten.


    Hier ein Beispiel was für mich ganz klar nicht geht und soweit ich weiß auch völlig zu Recht verboten wurde:
    http://imgur.com/a/Q2Wbk

  • @st_84
    Ja, jeder Fussballer hat ein Recht auf ein Privatleben. Denn leider kommt die andere Seite (Mobbing vermeintlicher Fans) nur allzu selten ans Tageslicht, weil man meint: der verdient genug, da muß er das auch ertragen können.


    Hier aber stellt sich die Frage, wie wir Mitteleuropäer mit unserer Vergangenheit auf eine religiös motivierte, aber nach unseren Vorstellungen diskriminierende Handlung im Fussball umgehen wollen? Wäre es so, dass diese Person niemand die Hand gibt, dann wär`s sicher kein Problem. Aber hier wird lediglich einer Person der Handgruß verwährt, nur weil sie eine Frau ist. Denn hierzulande hat man sich nach den schwierigen Anfängen des letzten Jahrhunderts im Fussball kalr zur Gleichberechtigung geäußert. Eine vergleichbare Meinung vertreten dazu auch unsere Nachbarn aus den Niederlanden.


    Wie aber kann man als Privatmensch streng nach seinem Glauben leben und als "öffentlicher Mensch" (Profi) gegen Teile davon verstoßen? Was kann ein Verein verlangen und wo enden die Rechte?

  • Um ehrlich zu sein, empfinde ich das hier gerade etwas überinterpretiert und überdramatisiert wird... Hat er sich im übrigen dazu geäußert und gesagt das es religiöse Gründe hatte den Handschlag zu verweigern? Ist es gesichert das besagter Spieler anderen Moderatoren die Hand gegeben hat? Könnte er vllt doch häufiger/immer auf einen Handschlag verzichten?


    Mein Gott und selbst wenn, es geht um einen Handschlag, davon geht die Welt nicht unter.... Und ich bezweifel auch, dass die Moderatorin danach tief traurig war. In der Bundesliga gibt es im übrigen auch zig Spieler die darauf nach dem Spiel verzichten, aus welchen Gründen keine Ahnung, ist mir auch egal. Man muss auch immer daran denken, dass 80% aller Spieler die Intervies nicht geben, weil sie sich unbedingt mitteilen wollen, sondern, weil sie müssen, sei es vom Verein vorgeschickt, oder von Moderatoren so bedrängt, dass man sich genötigt fühlt antworten zu müssen.


    Ich sehe das im übrigen ähnlich, wie die anderen hier. Solange Sie nicht meinen andere missionieren zu müssen, oder die sportliche Leistungsfähigkeit/Ablauf darunter leiden, soll jeder Mensch, seinen Glauben ausleben, denn das betrifft immer die Privatperson. Und wenn jemand wirklich gläubig ist, und es in dieser Religion vorschriften gibt, so weltfremd sie auch seien mögen, dann sollen sie diese befolgen. Immer solange es keine andere Person schadet. Ein verweigerter Handschlag fällt dort nicht drunter.



    Übrigens verzichten um bei dem letzten Satz von @TW-Trainer zu bleiben. Meines Wissens verzichten in Europa viele auf die Ramadanregeln in den Phasen des Leistungssporttreibens (Spiele/Training), weil diese schlicht mit dem Sport nicht vereinbar sind...

  • Das ist für mich kultureller Ausdruck und kein religiöser Ausdruck. Was massiv vermischt ist. Und seltsame kulturelle Gewohnheiten werden dann irgendwie aus der Religion begründet. Ich kenne den Koran nicht im Detail, würde mich aber sehr wundern, wenn daraus zwingend abzuleiten wäre, dass ein Mann einer Frau nicht die Hand geben darf. Selbst wenn: nur weil irgendjemand das vor 1500 Jahren mal so geschrieben hat, soll das heute so gemacht werden?


    Die Frage ist halt die Reaktion darauf. Deutlich ausdrücken, dass man damit nichts anfangen kann. Aber ob das was ändert?

  • Das ist für mich kultureller Ausdruck und kein religiöser Ausdruck. Was massiv vermischt ist. Und seltsame kulturelle Gewohnheiten werden dann irgendwie aus der Religion begründet. Ich kenne den Koran nicht im Detail, würde mich aber sehr wundern, wenn daraus zwingend abzuleiten wäre, dass ein Mann einer Frau nicht die Hand geben darf. Selbst wenn: nur weil irgendjemand das vor 1500 Jahren mal so geschrieben hat, soll das heute so gemacht werden?



    Die Frage ist halt die Reaktion darauf. Deutlich ausdrücken, dass man damit nichts anfangen kann. Aber ob das was ändert?


    Das steht so eindeutig in einem Hadith, also einem Zitat des Propheten, das genauso binden und heilig wie der Koran ist. Das ist also schon ein religiöser Ausdruck.



    Bei uns gab es die Aufklärung und unsere heutigen Werte und Moralvorstellungen wurden unabhängig von (und größtenteils gegen) heiligen Schriften weiterentwickelt.
    In der islamischen Welt hat so etwas eben nicht stattgefunden, deshalb wird deine Frage in der islamischen Welt auch mit ja beantwortet und Religion und Kultur sind dort deshalb auch nicht so einfach zu trennen. "nur weil irgendjemand das vor 1500 Jahren mal so geschrieben hat, soll das heute so gemacht werden?"


    Die Weltanschauung von diesem Fußballer ist nicht kompatibel zu unseren Werten. Ich glaube aber nicht, dass ein holländischer Fußballverein die Frage lösen kann, wie weit sich ein befristeter Angestellter hier integrieren bzw. anpassen muss.
    So lange seine Anschauungen nicht mit Gesetzen kollidieren oder seine Leistung für den Verein schmälern, hat der Verein sowieso keine wirklichen Möglichkeiten, außer ihn eben erst gar nicht zu holen.

  • Naja...letzten Endes sind Religion und Kultur schon eindeutig zu trennen, aus meiner Sicht. Religion ist persönlich und nach innen gewandt. Kultur ist das, was spirituellen Bedürfnissen dann kulturell aufgepropft wird, alles, was nach außen gewandt ist. Mithin dann halt auch alles, was mit strikten, klar formulierten Regeln zu tun hat. Richtig ist aber natürlich, dass diese Differenzierung ohne den gesellschaftlichen Hintergrund der Aufklärung schwer fallen dürfte. Selbst mit...bei uns gibt es ja auch noch genug Menschen, die der Meinung sind, weil vor 2000 Jahren irgendwelche Menschen was aufgeschrieben haben, müssten sie sich daran halten, ohne es erstmal zu hinterfragen.


    Vielen Dank für den Hinweis, dass es dazu ein explizites Zitat gibt.

  • Ob ein Spieler einer Journalistin die Hand gibt oder nicht, ist mir herzlich egal. Ich hätte allerdings Verständnis dafür, wenn die Journalistin dann auch auf ein Interview keinen gesteigerten Wert legen würde.


    Wo sieht man denn Religion im Fussball? Auffällig sind die kurzen Gebete, die z.B. Özil oder Ribery kurz vor Anpfiff sprechen. Das sollen sie tun, allerdings halte ich das für eine eigentlich private Angelegenheit und verstehe nicht warum das so oft groß im Fernsehen gezeigt wird. Andere Spieler, die andere Rituale pflegen, werden viel seltener in diesem Moment abgelichtet. Aber wie gesagt, keine große Sache. Was mich schon eher nervt, sind die Gebete nach einem Torerfolg (z.B. Yunus Malli). Den einem Spieler muss klar sein, dass er während des Spiels und besonders nach einem Torerfolg voll im Rampenlicht steht. Da wird nach meinem Empfinden aus einem vermutlich sogar privat gemeintem Gebet ein bisschen ein öffentliches Statement, das da nicht so recht hingehört. Wie gesagt, vermutlich ist es nicht mal so gemeint, kommt aber so bei mir an. Ganz deutlich wird das bei dem Jesus-Shirts (siehe Link oben bei st_84. Das ist ja aber explizit verboten.


    In der U12-Mannschaft meines Sohnes spielen auch Muslime mit. Zum Glück müssen die sich nicht an die Fastenregeln halten. Ein Vater (der fastet) erzählte mir aber, dass das sich nach Einsetzen der Pubertät ändert, Sport hin oder her.


    Grüße
    Oliver

  • Naja...letzten Endes sind Religion und Kultur schon eindeutig zu trennen, aus meiner Sicht. Religion ist persönlich und nach innen gewandt. Kultur ist das, was spirituellen Bedürfnissen dann kulturell aufgepropft wird, alles, was nach außen gewandt ist. Mithin dann halt auch alles, was mit strikten, klar formulierten Regeln zu tun hat.

    Das sind interessante, aber wohl leider eher dir exklusive Definitionen dieser Begriffe. :)


    Ich ziehe mal Wikipedia heran:

    Zitat von https://de.wikipedia.org/wiki/Religion

    Religion [...] ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen, deren Grundlage der jeweilige Glaube an bestimmte transzendente (überirdische, übernatürliche, übersinnliche) Kräfte und damit verbundene heilige Objekte ist, die nicht im Sinne der Wissenschaftstheorie bewiesen werden können, sondern nur im Wege individueller intuitiver Erfahrung.

    In unserem Kulturkreis hat es sich in den letzten Jahrzehnten etabliert, dass Religiöses persönlich und individuell ist. Das war aber noch im 19. Jahrhundert ganz anders und selbst zu Zeiten meiner Großeltern und auf dem Land und in bestimmten Regionen wahrscheinlich noch später herrschte in religiösen Fragen schon noch ein rechts starker Druck der Gemeinde zum Konformismus. Das war im Übrigen auch noch nach der Aufklärung so und hat sich eigentlich erst nach der industriellen Revolution, dem starken wirtschaftlichen Aufschwung und der zunehmenden Prosperität breiter Bevölkerungsschichten, sowie dem Zerbrechen der von Monarchie, Adel und Klerus geprägten Gesellschaft und ihre Ablösung durch parlamentarische und demokratische Stukturen, verbunden mit einer Übernahme wichtiger sozialer Aufgaben durch den Staat. Die vormals regelnde Wirkung der religiösen Vorschriften wurde durch weltliche Verfassungen, Gesetztestexte und Verordnungen übernommen, die Aufgaben der Fürsorge durch staatliche oder staatlich reglementierte Einrichtungen. Damit wird seitdem die Religion im "Westen" fast nur noch für die spirituellen Bedürfnisse der Menschen benötigt.


    Richtig ist allerdings, dass im Zuge von Renaissance, Aufklärung und Humanismus eine starke Emanzipation von Moral, Ethik und Philosophie gegenüber der christlichen oder zumindest der Kirchenlehre stattgefunden hat. Ausgesprochen katalytisch dürfte auch die Französische Revolution gewirkt haben, die ja in Teilen deutlich areligiöse Züge hatte.


    Zur Kultur sagt Wikipedia u.a. Folgendes:

    Zitat von https://de.wikipedia.org/wiki/Kultur

    Kultur bezeichnet im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. Kulturleistungen sind alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der Technik oder der bildenden Kunst, aber auch geistige Gebilde wie Sprachen, Moral, Religion, Recht, Wirtschaft und Wissenschaft.

    Religion zählt also zur Kultur. Eine Abgrenzung ist nur schwer möglich. Stattdessen gibt und gab es tatsächlich deutliche Wechselwirkungern zwischen Religion und Kultur. Hierzulande dürfte der Einfluss der Religion auf die Kultur inzwischen sehr stark zurück gegangen sein. Umgekehrt sehen sich die Religionen einem starken Wandlungsdruck durch die sich schneller als sie weiter entwickelnden Vorstellungen der modernen Gesellschaften ausgesetzt.


    Selbst mit...bei uns gibt es ja auch noch genug Menschen, die der Meinung sind, weil vor 2000 Jahren irgendwelche Menschen was aufgeschrieben haben, müssten sie sich daran halten, ohne es erstmal zu hinterfragen.

    Ja, streng genommen müssten das Christen eigentlich auch tun, wobei es ja genügend Fälle gibt, für die man Widersprüche in der Bibel finden kann, oder Unterschiede zwischen Altem und Neuem Testament, außerdem auch heutzutage geradezu lächerlich erscheinende Vorschriften gerade im Alten Testament. Wobei es im Christentum ja auch unzählige Sekten und Kirchen gibt, die das "Wort Gottes" ja durchaus sehr unterschiedlich auslegen.


    So ist das im Islam, so weit ich weiß, aber ja auch, selbst hierzulande wissen die meisten Leute, dass es zumindest Sunniten und Schiiten gibt. Aber während heutzutage wohl die meisten Christen die Bibel nicht mehr als das unmittelbare Wort Gottes betrachten, ist das (wieder soweit ich weiß) eines der zentralen Glaubensprinzipien des Islam: zwar hat Mohammed den Koran ausgeschrieben, er wurde ihm aber, so die Überzeugung, direkt diktiert. Und zwar ist er durchaus interpretationsbedürftig, darf ja aber dadurch letztlich nicht in Frage gestellt werden.


    Das jetzt nur als Info, bewusst ohne Äußerung einer persönlichen Meinung.

    "Be yourself; everybody else is already taken." (Oscar Wilde)

  • @fak


    Das Recht auf eine persönliche Meinung ist ebenfalls ein wertvolles Gut! Trotzdem Danke für diese Hintergrund-Informationen.


    Vielleicht noch ein klein wenig Info über das Selbstbewußtsein von Niederländerinnen. Denn besonderes Kennzeichen der Niederländerinnen ist es, dass sie im Durchschnitt deutlich selbstbewußter sind als die deutschen Mädchen und Frauen. Selbst auf dem Lande! Daraus erklärt sich ggf., dass in den Niederlanden die Sache gar nicht so hoch gekocht wird. D.h., ob da irgendwer irgendwem aus irgendwelchen Gründen nicht die Hand zur Begrüßung gibt, interessiert sie gar nicht! Sie würden darin auch nicht, wie hier in Teilen unserer Gesellschaft eine Mißachtung des weiblichen Geschlechts vermuten. Mag es einerseits daran liegen, dass sie als kleines Land sich gar nicht gegen andere Kulturen so abschotten konnten, sondern mit ihnen interagierten und dadurch die Frage erst gar nicht von Belang war, welcher Gott nun der Wahre ist. Anders formuliert: es hat sie nicht so sehr interessiert, wer Adam und Eva geschaffen hat, sondern wie sie Kain und Abel gemacht und erzogen haben!


    Vermutlich haben wir in der Harmonisierung von (gesellschaftlichen) Werten aus unterschiedlicher Herkunft noch Nachholbedarf?

  • Ich hätte das Interview sofort abgebrochen bzw. nicht geführt. Nach Kenntnis dieser Vorgänge auch nicht als männlicher Kollege der Reporterin. Auch wenn das Verhalten des Spielers in seiner Religion begründet liegt, so ist es in diesem Fall für mich Ausdruck der Diskriminierung von Frauen und gehört so nicht zu unserer Kultur.
    Wer Toleranz für sich im Namen seiner Religion einfordert, muss auch tolerieren, dass andere Menschen andere Werte haben und leben und dann möglicherweise keinen Wert mehr auf gegenseitigen Umgang legen.

  • @Karl


    Das Gespräch hätte die niederländische Reporterin sicherlich augenbilicklich beenden können. Das wäre dann ihre Entscheidung gewesen. Jedoch hat sie durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie es nicht als Diskriminierung empfindet und somit "drüber" steht! Wenn wir also unsere Form der Zivilisation als modern ansehen, haben wir dann nicht auch das Recht selbst darüber zu entscheiden, was für uns eine unwichtige Nebensächlichkeit ist.


    Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass selbst ein Geschäftsgespräch in den Niederlanden nicht mit der in Deutschland zu vergleichen ist? Man trinkt zunächst gemeinst eine Tasse Kaffee, knabbert an einem Plätzchen und tauscht ein wenig Persönliches aus, um darin einen gegenseitigen Respekt Ausdruck zu verleihen. Erst nach ca. 5 Minuten kommt man zum "eigentlichen Geschäft"! Es wäre sogar unhöflich sich mit den Worten: "Guten Tag, ich bin Herr Meyer von der Firma Müller. Ich möchte ihnen gern ein Angebot von unserem neuen XXY unterbreiten ..." beginnen würde.


    Eine lockere Athmosphäre, bei der man sich fast so wie zuhause fühlen darf, ist ihnen wichtig! Deutsche empfinden sie als manchmal "steif und arogant", weil wir uns selbst für viel zu wichtig nehmen.


    Ich habe dieses Thema deshalb bewußt gewählt, weil wir in Deutschland vermutlich anders mit der Situation umgegangen wären! Deshalb würde ich mich sehr um weitere Wortmeldungen freuen.

  • Für mich ist das auch kein fußballspezifisches Problem.


    Man muß nicht die Hand geben.


    Allerdings empfinde ich es als unhöflich.


    Darüber hinaus gibt es ja Gründe warum der Gast glaubt, das nicht tun zu dürfen...warum es ihm -so er seine Glaubensvorgaben richtig interpretiert- verboten ist und er an den Auftrag glaubt und ihn lebt.


    Da beginnt dann mein Problem, denn ich bin nicht tolerant in dieser Frage.


    Meine Auffassung von "Frau" ist eine westliche und ich kann das nicht akzeptieren. Und weil ich das nicht akzeptieren kann, könnte ich mich in dem Land aus dem die Person kommt nicht integrieren....es wäre für mich eine falsche neue Heimat.


    Deshalb bin ich der Auffassung wie z.B. dem Emigranten/ehemaligen "Asylanten" Peter Maffay....der da sinngem. meinem Verständnis nach sagte....das diejenigen die sich dem westlichen Gedankengut und den westlichen Regeln nicht anpassen wollen, doch am besten dorthin gehen, wo sie mit diesem Nichtbeachten von wichtigen Regeln besser klar kommen!


    Das ist eine Empfehlung und keine Hetze! Das liegt mir fern. Gleich bringe ich noch eine Kleiderspende für die Asylsuchenden rüber. Ich hoffe, dass da viele bei sind, die den Frauen hier die Hand gern geben wollen!!!

  • @Andre


    Vielen Dank für deinen Beitrag.


    Die meisten Deutschen haben sicher ein Problem damit, das Unterlassen einer uns bekannten Höflichkeitsgestik einfach zu ignorieren. Desweiteren haben Teile unserer Bevölkerung aus ihrer Werteempfindung heraus ein Problem, weil sich die Höflichkeitsverweigerung nicht generell, sondern ausschließlich auf das weibliche Geschlecht bezieht.


    Doch wie ich besreits schrieb, haben wir Deutschen uns über Generationen hinweg als den "Nabel der Welt" gefühlt und gemeint, alle anderen Menschen müssen so denken und fühlen wie wir. Wohin schließlich die fehlende Selbstreflexion eigenen Handelns führte, nun wir wissen es alle! Sollte dies nicht immer dann auch Anstoß zum Denken sein, wenn wir auf ungewöhnliche Situationen stoßen, statt uns reflexartig nach gewohntem Muster zu verhalten?


    Aber reflexartiges Verhalten, scheint in unserer Kultur "angeboren"! Denn geht man einmal ein gutes Stück in unsere Geschichte zurück, so treffen wir auf ein sehr subtiles Überzeugungsmittel! Denn die Christianisierung erfolgte nicht, weil Menschen hier davon überzeugt werden konnten, dass die Religion der Missionare besser wäre. Weil man das wußte und gleichzeitig dem Zwang unterlag, entweder zu überzeugen oder den Göttern als Opfer gebracht zu werden, zündete man kurzerhand die "heiligen Stätten" (in aller Regel Thing-Eichen) der Germanen an. Weil jedoch nach der Verninchtung die Rache der Götter ausblieb und die Missionare sich unmittelbar danach bei bester Gesundheit fühlten, glaubten die nach wie vor gottesfürichtigen Germanen daran, dass wohl dieser eine Gott der Christen größer und stärker sein müsse als ihre ganzen Götter. Denn der Beweis dafür schien erbracht.


    Auf die Moderne bezogen kann reger Austausch mit anderen Kulturen uns davor schützen, sich bereits auf den ersten Schein hin ein abschließendes Gesamtbild zu machen. Ängste gibt es häufig dort, wo es diesen Austausch noch nicht gegeben hat.


    Dennoch: Mißverständnisse sind zu erwarten, weil wir die jeweilige Handlungsmotivation nicht auf den ersten Blick verstehen. Aber lohnt sich nicht die Mühe, sie besser verstehen zu lernen? Offene Kulturen zeichnen sich nicht durch Beliebigkeit aus, sondern sei beeinflussen sich gegenseitig. Sie führen zu mehr Verständnis und Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Denn alles Andere wurde ja schon ausprobiert und hat uns nicht zu den gewünschten Ergebnissen gebracht.

  • Für mich ist das auch kein fußballspezifisches Problem.

    Stimmt, das ist es auch nicht.


    Man muß nicht die Hand geben. Allerdings empfinde ich es als unhöflich.
    Darüber hinaus gibt es ja Gründe warum der Gast glaubt, das nicht tun zu dürfen...warum es ihm -so er seine Glaubensvorgaben richtig interpretiert- verboten ist und er an den Auftrag glaubt und ihn lebt.

    Wie meinst du das? Er darf einer Frau nicht die Hand geben, weil im Koran steht, dass dies verboten ist. Soweit ich weiß wird diese Vorschrift dort aber nicht begründet. Ebensowenig übrigens wie nicht nur die Zehn Gebote in der christlichen Bibel nicht begründet werden. Letztlich werden doch alle religiösen Vorschriften auf den Willen des Schöpfers zurück geführt. Er will es so, fertig. Wenn du dagegen verstößt, begehst du eine Sünde. Hätte die Reporterin auf dem Handschlag bestanden, so hätte sie den Spieler demnach dazu gezwungen, eine Sünde zu begehen.


    Da beginnt dann mein Problem, denn ich bin nicht tolerant in dieser Frage.

    Du stößt dich daran, dass jemand die Höflichkeitsregeln der Mehrheit missachtet, weil sie gegen seine religiösen Regeln verstoßen. Ist denn aber dein Beharren auf deine Höflichkeitsregeln nicht in sich unhöflich, wenn du weißt, dass du es mit jemandem zu tun hast, der diese Regeln nicht teilt, der sogar teilweise gänzlich andere Regeln gewohnt ist?


    Interessant in diesem Zusammenhang könnten übrigens Artikel 10 und 11 der Grundsatzerklärung des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) zur Beziehung der Muslime zum Staat und zur Gesellschaft sein.


    Man beachte jedoch, und ich finde den Hinweis darauf auch wichtig, dass Höflichkeitsregeln keinen bindenden Charakter haben. Ich muss meinen Nachbarn nicht grüßen, wenn ich dazu keine Lust habe. Er mag das als unhöflich empfinden, das hat aber keinerlei rechtliche Konsequenzen. Es gibt keine Rechtsvorschriften, die ein höfliches Benehmen vorschreiben. Beachte, dass es zwar sehr wohl Verbote übertrieben unhöflichen Verhaltens gibt, dafür gibt es dann z.B. die Begriffe der Beleidigung oder der Nötigung. Das traf aber im vorliegenden Fall wohl kaum zu. Tatsächlich war die betroffene Journalistin ja vorab darüber informiert worden, dass es dem bestimmten Spieler von seinen religösen Vorschriften verboten ist, einer Frau die Hand zu geben. Vermutlich wurde dabei entschuldigend um Verständnis gebeten. Der Spieler war ja wohl auch im Interview dann auch sehr höflich.


    Meine Auffassung von "Frau" ist eine westliche und ich kann das nicht akzeptieren. Und weil ich das nicht akzeptieren kann, könnte ich mich in dem Land aus dem die Person kommt nicht integrieren....es wäre für mich eine falsche neue Heimat.

    Das verstehe ich. Verwechsle aber Integration nicht mit Assimilation.

    "Be yourself; everybody else is already taken." (Oscar Wilde)

  • Danke für den kurzen geschichtlichen Abriss, tobn :-). Mir ist natürlich durchaus bekannt, dass das da oben keine allgemeingültigen Definitionen waren, das hätte ich vielleicht dazuschreiben können. Es war mehr so mein Ausdruck dessen, was ich für ein sinnvolles Verständnis in diesem Kontext hielte. Es fällt mir äußerst schwer, mit der unfassbaren Dämlichkeit von organisierten Religionen umzugehen. Irgendein Typ schreibt vor 2000 Jahren etwas auf, was er so richtig findet und behauptet, das wäre ihm von Gott - wer oder was auch immer das gerade ist - diktiert worden und Menschen 2000 Jahre später meinen, sie müssten sich daran halten, weil das dann andere so weitergetragen haben. Das ist so dumm und unreflektiert...es fällt mir wie gesagt schwer, damit umzugehen. Und das richtet sich ausdrücklich gegen jede Form von organisierter Religion. Die genau ist nämlich, in jeder Geschmacksrichtung, ein massives Problem für eine aufgeklärte Gesellschaft. Mein Verständnis einer guten Gesellschaft ist, dass es möglichst viele Dinge geben sollte, von denen man 99,9% überzeugt ist. Aber nichts, was zu 100% gilt. Das ist für mich der Ausdruck einer aufgeklärten Haltung. Die 100% gibt es immer dann, wenn da etwas religiöses dahinter steht.


    Ich bin 99,9% davon überzeugt, dass Frauen und Männer sich die Hände geben dürfen sollten. Es kann gerne jemand versuchen, bei den 0,1% anzusetzen und zu versuchen, mich davon zu überzeugen, dass es besser ist, wenn das nicht gemacht wird. "Der Prophet hat das aufgeschrieben" ist dabei argumentativ in etwa auf Kindergartenniveau. Wobei meine Nichte in dem Alter besser argumentiert hat. Es macht mich traurig, wenn solcher Schwachsinn nach wie vor bei Menschen Anklang findet. Gleichzeitig bin ich übrigens der erste, der auf religiöse Dinge Rücksicht nimmt (Ramadan, Fehlen wegen Gottesdienst etc.). Weil es eben den Menschen wichtig ist, weshalb es menschlich geboten ist, darauf wann immer möglich einzugehen. Allerdings muss man sicher bei Dingen, die etwa der Gleichberechtigung entgegen stehen, schon aufpassen, was man in welchem Rahmen hinnimmt und wo man sich massiv dagegen wendet. Eine diesbezügliche Intoleranz ab einem gewissen Punkt hat dann meines Erachtens auch nicht viel mit den großen Bögen zu drittem Reich und niederländischer Volksmentalität hie und deutscher Volksmentalität da, die TW-Trainer spannt, zu tun.

  • Persönlich bin ich komplett bei dir, @fak. Da ich aber, wie du auch, ein großer Anhänger und Verfechter der Toleranz bin, treu dem Motto "leben und leben lassen", reagiere ich etwas sensibel darauf, wenn Begriffe, die von Einzelnen zur Legitimation von Intoleranz verwendet werden, falsch verwendet werden. Ich habe selbst lange in einem multikulturell geprägten Teil der Welt gelebt, vielleicht erscheinen mir auch deshalb die Ansichten vieler Menschen in kulturell homogeneren Ländern als häufig leider recht engstirnig.

    "Be yourself; everybody else is already taken." (Oscar Wilde)

  • @tobn


    du hast mich schon ganz richtig verstanden. Für mich handelte der Spieler gem. seinem Glauben den er lebt.


    Mir steht es nicht zu, diesen Menschen dafür zu strafen, noch will ich ihm was böses, ich habe das aus Gründen meiner eigenen Religion, aus Gründen der Gesetzeslage und aus meiner persönlichen Einstellung heraus so hinzunehmen.


    Nach innen muß ich für mich an mir etwas feststellen. Es handelt sich um die eigene Toleranz. Ich persönlich komme da nicht mit klar. Damit kommen auch viele andere Menschen nicht klar. Schön ist, dass dieser Spieler stellvertretend für viele andere Glaubensgenossen hier in Frieden leben kann und geschützt wird!


    Ich persönlich empfinde es als unglaublich, dass ein Glauben sich so äussert. Damit komme ich nicht klar, sorry.


    Weil ich einer Frau immer die Hand geben würde und ich da auch um`s verrecken nicht verzichten würde und ich mit einem Glauben und einer religiösen verankerten Pflicht um z.B. diese Sache nicht klar käme und ich wüsste, dass ich in dem Land, aus dem dieser Spieler oder ein anderer Gleichgläubiger vielleicht geflüchtet ist aus Angst um sein Leben....selber verfolgt würde (ich dort verfolgt würde, weil ich die Hand gebe und nicht darauf verzichten könnte), so ich selber als Asylsuchender dort leben wollte....würde ich ganz bestimmt nicht in ein solches Land gehen. Das Beispiel mit der Hand ist nämlich nur eines von vielen weiteren Beispielen. Das geht für mich -vielleicht nicht bezogen auf das Beispiel des Spielers hier- bis dahin, was wenige Gäste hier glaubensbedingt über Frauen hier denken. Da gehts darum, das man händchenhaltend in der Öffentlichkeit ist, das man sich öffentlich küsst, das Frauen sich leicht bekleiden und und und....und es geht darum, wie über unsere Sitten hier in deren Köpfen abgeht.


    Ich möchte mich bis hier äussern...und mitteilen, dass ich mich hier auch noch tiefgründiger äussern könnte...Darauf möchte ich aber verzichten, weil das hier ein Fußballforum ist und kein politsches oder religiöses Forum....das könnte eskalieren und das möchte ich nicht.


    Sorry, ...ich komme damit nicht klar und ich muß das auch nicht!