Klar gibt es keine Patentrezepte, wie man dem RAE-Effekt wirksam begegnen kann. Es vermischen sich hier jedoch Probleme miteinander, so das die Mehrzahl der Jugendtrainer nach wie vor lieber sofort gewinnen, statt über den gesamten Jugendzeitraum ausbilden möchte. Auch werden sie in den Medien nach ihren Ergebnissen in Form von Meisterschaften gemessen. Nirgendwo findet man z.B. eine Auflistung darüber, welcher Jugendtrainer besonders erfolgreich bei der Ausbildung von Talenten war! Man interessiert sich für die wichtigsten Inhalte der Talentförderung nicht, sondern läßt es einfach via Hackordnung regeln.
Überhaupt ist es schwierig Vergleiche anzustellen, denn dafür wandelt sich der Fussball viel zu schnell und interagiert mit ständig neuen Ideen und Philosophien. So ist es fast ausgeschlossen zu Aussagen zu gelangen, die nicht schon nach 1 - 2 Jahren wieder überholt sind. Wissenschaftliche Untersuchungen befinden sich ebenfalls in der "Halbwertzeit" ihrer Aussagen begründenden Analysen.
Wenn es aber weder der Geburtsort noch das Geburtsdatum ist, was ein signifikantes Merkmal für besondere Talenteigenschaften ergibt, warum sind es nach wie vor bestimmte Lebensläufe, die sich eher durchsetzen, währenddessen andere schon sehr früh im Leistungsfussball enden? Warum widersprechen diese dem genormten Bild bzw. warum gewinnt man keine Erkenntnisse daraus, das man sich sehr viel häufiger irrt, als man zugibt?
Will man den RAE-Effekt wirksam bekämpfen, so muß man schon sehr früh umdenken und dieses Konzept über den gesamten Jugendzeitraum kontrollieren. Nur so kann man zu Aussagen gelangen, die man mit früheren Methoden (in denen Kinder aus den ersten Geburtsmonaten favorisiert wurden) vergleichen.
Das, was es besonders schwierig macht, ist die fehlende Breite in der obersten Talentstufe des Jahrgangs. Denn fehlt es an Vergleichsmöglichkeit, so fehlt es auch an den Entscheidungsvariablen.
Wie schon gesagt: Patentlösungen gibt es nicht. Was mir besonders gut gefällt ist, dass man in Nachbarländern auf andere Konzepte trifft, in der ein Trainerteam über die Aufnahme von neuen Talenten, die über einen Zeitraum besonders gründlich getestet wurden, entscheidet. Hier interessiert man sich nicht nur für das, was das Talent bereits kann (weil es das über gute Heimattrainer gelernt hat), sondern insbesondere für das, was es wie schnell im Messzeitraum (gemeinsam mit den anderen Talenten) gelernt hat. Weil man auch dort erkannt hat, dass eine Erfolgsprognose erst später möglich ist, bildet man zunächst in der Breite (alle Positionen) und dann in der Tiefe (Positionen aufgrund von besonderer Eignung) aus.
Eine fürsorgliche Ausbildung muß sich mit Leistungsschwankungen konfrontieren und dafür Lösungen haben. Wenn z.B. die Schule dem Kind 8 - 9 Jahre zum Abitur gibt, warum muß es denn schon nach 1 - 2 Saison wieder rausgeworfen werden, nur weil es aufgrund von Umständen, die nicht einmal etwas mit dem Fussball zu tun haben müssen, rausgeworfen wird! Schaut man sich einmal die Vita von U 19 Spielern an, so erkennt man, dass die wenigsten in diesem Verein aufgewachsen sind, sondern bereits eine Reihe von Vereinen hinter sich haben und dort teilweise Enttäuschungen verarbeiten mußten.
Welche Nachteile Kinder aus späten Geburtsmonaten haben, dass wissen wir schon ziemlich genau.
Je gravierender die kurzfristigen Vorteile aufgrund physischer Vorteile der in den ersten Monaten geborenen Kinder, je deutlicher schlägt es sich in der Bevorzugung durch ihre Trainer aus! Erst im Alter der A-Jugend gibt es kaum noch Vorteile aufgrund des früheren Geburtsmonats, weshalb einige Vereine sogar auf eine U 18 verzichten wollen. Aber bis dahin sind schon eine Reihe von hochveranlagten Talenten aus späteren Geburtsmonaten deshalb durch durchs Raster gefallen, weil sie schon bei ihren Vorgängern aussortiert wurden.
Wir müssen ihnen Chancen einräumen, indem wir dies bei der Talentbeurteilung berücksichtigen, damit er sich neutral verhält. Chancengleichheit ist das oberste Prinzip des Sports, weshalb sich alle daran messen müssen.
Wie halten wir es denn mit der Fairness? Auf den zweiten Blick schon das nächste Problem. So werden die Fairness-Sieger im Wettbewerb häufig belächelt, weil sie die unteren Ränge einnehmen, während die Teams im oberen Tabellendrittel in der Kategorie Fairness meist sehr schlecht abschneiden.
Gerade die Trainer der obersten Elite tragen hierbei besondere Verantwortung! Ich stelle hingegen fest, dass hierbei gerne der Eine den Schwarzen Peter an den Anderen weitergibt.
Solange über die weitere Verwendung von Trainern wie Spielern Menschen entscheiden, die zu den vorgenannten Themenkomplexen eher Lippenbekenntnisse abgeben (vermutlich weil es sie nicht ernsthaft interessiert, aus welchen Gründen es jemand bis ganz nach oben geschafft hat) und man sich mit guten Ergebnissen zufrieden gibt, man sich notfalls mit im Ausland gut ausgebildeten (und eingedeutschen) Spielern versorgt, wird sich kaum etwas ändern.